In früheren Jahrhunderten zählte das Anfertigen und Gestalten von Textilien zu den "Tugenden einer jeden Frau, selbst Fürstinnen und römische Kaiserinnen rühmten sich ihrer. In den Kunstsammlungen berühmter Mäzene der Renaissance gehörten Webteppiche "Arazzi" zu den begehrtesten Sammlungsstücken, besonders wenn sie von hochkarätigen Künstlern wie z. B. Raffael gestaltet waren.
Inzwischen wurde die Gestaltung von Textilien in der Vorstellung vieler künstlerisch Interessierter zu einer etwas problematischen Angelegenheit, vielleicht weil ihr der Ruch weiblicher Beschäftigungstherapie und des Hausbackenen, Dilettantischen anhaftet. Selbst aus den Lehrplänen der Schulen ist die Textilgestaltung weitgehend gestrichen.
Dabei sind Textilien sicher das am meisten produzierte und auch wieder weggeworfene Konsumgut, von dem wir Tag und Nacht begleitet werden.
Kleidungsstücke sind wechselnden Moden unterworfen, oft genug wiegt der aufgedruckte Markenname schwerer als die formale Gestaltung. Umso stärker wird das Bedürfnis nach dem qualitativ hochwertigen Einzelstück, das originell genug ist, wechselnde Moden zu überstehen und die Persönlichkeit des Trägers oder der Trägerin zu unterstreichen. Auch als zweckfreie künstlerische Objekte können Textilien eigene Aussagewerte verkörpern. Leichtigkeit, Transparenz, Bewegung Mehrschichtigkeit, vermitteln ästhetische Reize, die mit anderen Materialien schwerlich erreicht werden können. Mit kaum einem anderen Werkstoff lässt sich so leicht mit Farben experimentieren – natürlich mit der Gefahr, zu üppig auszufallen.
Den Anspruch "Kunst" herzustellen, wagen viele Textilgestalter kaum zu erheben, vielleicht sind die meisten Materialien nicht störrisch genug, um ernsthaft zu wirken. Die Tendenz, sich etwas Bildhaftes ins Haus zu hängen, scheint angesichts der medialen Bilderflut ohnehin nachzulassen. Auf der Dokumenta 11 kann man die Künstler, die sich noch mit Bilder – Malen beschäftigen, an den Fingern beider Hände abzählen.
Trotzdem wird die Beharrlichkeit, mit der ein gut gestaltetes Kunstwerk sich im Raum behauptet und nicht ständig wechselnde Aufmerksamkeit fordert, auf Dauer einen eigenen Wert darstellen.